Die Papiermacher

Wir machen die Sachen, die nimmer vergehen,
Aus Tücher die Bücher, die immer bestehen,
Wir schikken zu drükken den Drukkern von hier,
Die geben das Leben dem toten Papier,
Dort stampfen die Stampfen die Hadern und Lumpen,
Dort strudeln und wudeln die plumpenden Pumpen,
Dort presset, dort lässet man leimen Papier,
Dort schälet und zählet und gibt man’s herfür.
Michael Kongehl, Königsberg i. Pr. 1685

Handwerker besonderer Art sind die "Papyrer" stets gewesen. Von weither und durch lange Zeiträume hindurch haben sie sich ihren Weg gebahnt, aus dem fernen China über Turkestan, durch Persien, Syrien und Ägypten nach Europa, und von Spanien und Italien in weiteren Jahrhunderten in unsere nordischen Länder. Manches ging verloren auf dem weiteren Wege durch die Jahrhunderte, vieles wurde hinzugelernt, die Elemente aber, der „Grundstock“, sind unversehrt auf uns gekommen.

 

Ich brauch Hadern zu meiner Mül
Dran treibt mirs Rad deß wassers viel
Daß mir die zschnitn Hadern nelt
Das zeug wird in wasser eingequelt
Drauß mach ich Pogn auff de filz bring
Durch preß das wasser darauß zwing
Denn heck ichs auff laß drucken wern
Schneeweiß und glatt so hat mans gern.

 

Seit die Kunst des Papiermachens in Deutschland (Nürnberg) Einzug hielt, vergingen nochmals rund 200 Jahre bis sie im Vorderösterreichischen Waldkirch im Schwarzwald eine würdige Stätte fand. Dort entstand um das Jahr 1610 eine der kleineren Papiermühlen unserer Landschaft, die sich durch hervorstechende Qualitäten bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts behaupten konnte.

Die Betreibung einer Papiermühle war eine reine Standortfrage:

1. Reichlich Wasser für den (Mühlrad-) Antrieb der Stampfwerke
2. Ergiebige Quellen bzw. Brunnen für sauberes Produktionswasser. Zur Reinigung des Rohstoffes "Lumpen" und Aufschlüsselung in kleine Faserteilchen sowie den eigentlichen Schöpf- Vorgang bedurfte es für ein Kilogramm Papier einiger hundert Liter Wasser
3. Die Rohstoffsituation zu Zeiten der Handpapiermacherei musste auf Dauer sichergestellt sein. Der einzige Ausgangsstoff, Leinen- und Wolle-Lumpen (Hadern) konnte nur in einem eng umgrenzten Sammelgebiet beschafft werden, da die jeweilige Landesherrschaft das alleinige Recht zur Genehmigung hatte

Die Lumpensammler zogen damals von Ort zu Ort, es musste oft viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Als lukrativer Anreiz diente die Hingabe von Bändeln aller Art an die Abgebenden, Schuhbändel, Bändel für Kleidungsstücke, für Gerätschaften, für den alltäglichen Gebrauch. Bändel in allen Längen, Breiten und Farben waren sehr begehrt. Was würde man auch heute noch ohne „Bändel“ machen?

Der Papyrer schöpfte mit einem Sieb (dünnes Drahtgeflecht in einem Holzrahmen) aus einer Bütte den stark verdünnten Faserbrei mit so viel Masse, als für die Dicke des Bogens erforderlich war. Nach dem Pressen und Gautschen, Bogen für Bogen zwischen Filzen, erfolgte die Trocknung durch Aufhängen im geräumigen Dachboden der Mühle oder je nach Jahreszeit im Freien. Danach erfolgte die Leimung (tierischer Leim) und anschließende Glättung.

Wenn wir heute diese alten Papiere als Akten oder Drucke gegen das Licht halten, dann freuen wir uns über die Kunst der Papyrer. Diese bestand darin, den Papierbogen mit sogenannten Wasserzeichenzu versehen, die als Qualitäts- und Herkunftszeichen dienten. Ein solches Wasserzeichen entstand dadurch, dass das in der Schöpfform sich bildende Blatt an bestimmten Stellen dünner und durchsichtiger wurde. Das erreichte man durch Auflöten oder Aufnähen eines Drahtmotivs auf das Schöpfsieb. Diese Drahtform drückte ihre Linien in den noch weichen Bogen, sodass an diesen Stellen das Papier dünner und durchsichtiger wurde.

Zur Geschichte der Papiermühle in der Gemeinde Stahlhof bei Waldkirch:

Gründung um 1610 durch den Straßburger Bürger Johann von Dürkheim. Aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen verkaufte er seine Waldkircher Papiermühle anno 1611 an den Papiermacher Beatus Schumacher aus Freiburg im Breisgau. Abnehmer der produzierten Papiere waren in der Hauptsache Verwaltungsstellen der seinerzeitigen Vorderösterreichischen Regierung.

Noch vor der Mitte des 17. Jahrhunderts ist Hans Ulrich Ritz Eigentümer der Waldkircher Papiermühle, Nachkomme einer schon vor 1548 in Freiburg im Breisgau etablierten Papiermacherfamilie. Vermutlich ist die Waldkircher Papiermühle in Dreißigjährigen Krieg abgebrannt und mit der Übernahme von Ritz neu erbaut worden. Etwa 20 Jahre nach diesem Neuanfang Vertreibung des Papiermachers Ritz durch Kriegshandlungen und schwere Beschädigungen der Anlage. Hans Ulrich Ritz arbeitete anschließend in München und Memmingen als Geselle. Danach Rückkehr nach Waldkirch und Betreiben der Papiermacherei bis etwa um das Jahr 1700.

Anschließend übernahm der Papiermacher Peter Lütters aus Gengenbach die Waldkircher Papiermühle. 1721 ist "Hans Jacob Staigert der pappyrer von der pappyrmülin auf dem Stahlhoff" genannt. Staigert, vermutlich verwandt mit der Papiermacherfamilie Steiger aus Kempten im Allgäu ist in den Archivalien als Nachfolger erwähnt.

Um 1700 gehörte die Papiermühle Hans Georg Hilser, ein Nachkomme der Besitzer einer Papiermühle in Zell am Harmersbach.

Anno 1746 zerstörte wiederum eine Feuersbrunst die Waldkircher Papiermühle samt allem Inventar und wertvollem Handwerkszeug. Die ganzen Vorräte verbrannten. Alle Bewohner, Ehefrau, 5 kleine Kinder, Gesellen und Mägde kamen mit dem Leben davon. Der Wiederaufbau erfolgte durch die Familie Hilser.

Der letzte Eigentümer, Jos. Anton Hilser, inzwischen 63 Jahre alt, hatte keine Nachfahren und musste das Unternehmen wegen Überschuldung im Jahre 1857 verkaufen. Gegen Ablösung der Schuldsumme von 13.055 fl. 11 Kr. einschl. Zinsen sowie einer lebenslangen Rente erwarb die Papiermacherfamilie J.P. Sonntag aus Emmendingen im gleichen Jahr Gebäude und Liegenschaften, um dort eine Florettseidenspinnerei zu errichten. Die Produktion begann 1858 und bestand bis Anfang der 1930er Jahre. Sie beschäftigte bis zu 250 Mitarbeiter.

Die Anregung zum Einstieg in die Textilbranche dürfte wohl an der Verwandtschaft zur erfolgreichen Industriellenfamilie (Seidenspinnereien) Mez aus Freiburg gelegen haben. Dazu kamen die idealen Wasserverhältnisse am Waldkircher Gewerbebach. Zu jener Zeit waren Industrien noch an vorhandene Wasserkräfte gebunden.

Anno 1858 produzierte Sonntag bereits seit über zehn Jahren mit einer neu angeschafften Papiermaschine qualitativ hochwertiges Papier als „Massenprodukt“. Durch technische Neuerungen wurden auch hier bald interessante Wasserzeichen möglich.
Somit 2 Standorte: Emmendingen (Papier), Waldkirch (Seide).

   
Beatus Schumacher / 1611 Hans Ulrich Ritz / 1655

 

     
Hans Ulrich Ritz / 1667 Peter Lütters / 1710 Peter Lütters / 1713

 

Veröffentlicht im HachbergMosaik, Ausgabe Nr. 8, November 2019